Jugendliche sollen mitgestalten

Artikel aus der NW vom 10. Oktober 2013

von marion pokorra-brockschmidt

Rheda-Wiedenbrück. Kinder und Jugendliche sollen über das, was in ihrer Stadt passiert, mitbestimmen. Da sind sich die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses einig. In welcher Form aber diese Partizipation realisiert werden soll, darüber sind sie geteilter Meinung. Die Mehrheit tendiert zur Einrichtung eines Schülerhaushaltes.

Dort werde nur entschieden, ob das vorhandene Budget für eine Kaffeemaschine oder eine Tischtennisplatte ausgegeben werde, kritisierte Patrick Büker, FDP. Jugendliche Interessen aber erstreckten sich auch auf Sportstätten und Jugendhäuser. Der Liberale Matthias Hegel meint, dass zum Schülerhaushalt Jugendliche entsendet würden, als Sachwalter ihrer Schule. „Das ist Lobbyismus und keine Demokratie.“ Er favorisiert ein Jugendparlament, das nicht auf Schüler reduziert sei, sondern alle jungen Menschen anspreche.

Das meint auch Michaela Koroch, SPD. Sie erinnert, dass rund 360 Jugendliche aus Rheda-Wiedenbrück Schulen in benachbarten Kommunen besuchen – sie blieben beim Schülerhaushalt in Sachen Mitbestimmung außen vor.

Gegen den Schülerhaushalt spricht laut Daniel Schlottmann, Kreisjugendring, „dass sich Schulen beteiligen können, aber nicht müssen“. Machten nur einige der sieben weiterführenden Schulen der Stadt mit, hätten nicht alle Jugendlichen die Chance zur Partizipation. Claudia Mieszala, nicht stimmberechtigte Vertreterin der katholischen Kirche, wünscht sich eine Mischung der Jugendlichen – „nicht Hauptschüler für Hauptschüler und Gymnasiasten für Gymnasiasten“. Zu bedenken gibt sie zudem, ob es sinnvoll sei, den schulischen Bereich weiter zu stärken, statt Jugendlichen mehr Möglichkeiten der Mitgestaltung im außerschulischen Bereich zu ermöglichen.

Für den Schülerhaushalt macht sich Christa Bußwinkel, CDU, „nach einem jahrelangen, konstruktiven Meinungsbildungsprozess“ stark. Er spreche Kinder und Jugendliche in ihrem direkten Umfeld an. Mit Negativbeispielen wandte sich Sonja von Zons, Bündnisgrüne, gegen das Jugendparlament. Sie nennt geringe Wahlbeteiligungen, fehlende Kandidaten. Peter Kliche, UWG, erinnert an das Scheitern des Jugendparlaments in der Stadt vor Jahren. „Solche Pleiten möchte ich nicht noch mal erleben.“

Zudem hat sich von Zons in zwei Klassen umgehört. Da sei das Votum für den Schülerhaushalt mit 75 Prozent zwar nicht repräsentativ, aber deutlich ausgefallen. Dem hielt Büker entgegen, dass sich die Kreis-Schülervertretung gegen einen Schülerhaushalt, aber für ein Jugendparlament „als demokratische Vertretung für Schüler“ ausgesprochen habe.

Auch bei der Frage, einen Sozialarbeiter einzustellen, der die Mitbestimmung organisiere, herrscht Uneinigkeit. Von Zons ist überrascht, „dass nach dreijähriger Debatte plötzlich eine halbe Stelle im Verwaltungsvorschlag steht“. Heinz-Georg Großerohde, CDU, mahnt das Ziel an, im Haushalt fünf Millionen Euro einsparen zu wollen. „Da kämen dann noch mal 30.000 Euro für die halbe Stelle drauf.“ Für Hegel aber ist klar: „Wenn die Beteiligung Jugendlicher gewollt ist, müssen wir das Geld in die Hand nehmen“.

Dazu sagt Reinhild Birkenhake, Leiterin des Jugendamtes, dass ihr Amt mit einer „sehr knappen Personaldecke“ ausgestattet worden sei. Es „läuft am Limit“. Weitere Aufgaben könnten ihre Kollegen nicht übernehmen.

Letztlich entschied der Jugendhilfeausschuss mit acht zu drei Stimmen bei einer Enthaltung, dass der Schulausschuss nun über die Einrichtung eines Schülerhaushaltes für die weiterführenden Schulen beschließen soll – ohne zusätzliches Personal im Jugendamt.


Info

Jugendparlament und Schülerhaushalt

In ein Jugendparlament wählen Kinder und Jugendliche ihre Delegierten, die zu einer Verbesserung der Situation junger Menschen in Schule, Beruf und Freizeit beitragen. Die Vertreter informieren die Öffentlichkeit über Wünsche und Bedürfnisse und engagieren sich für die Belange. In den städtischen Gremien hat das Jugendparlament beratende Funktion, geht es um Angelegenheiten von Kindern und Jugendlichen. Das Gremium verfügt über ein eigenes Budget.

Beim Schülerhaushalt sind alle Schüler einer Schule gefragt, Vorschläge zu ihrer Verbesserung zu machen und das Leben in ihrem Umfeld zu gestalten. Voraussetzung ist, dass Schulen sich aktiv daran beteiligen. Neben einem Zuschuss der Stadt erhält der Schülerhaushalt einen Teil des Budgets der Schule. Über die Verwendung des Geldes entscheiden die Schüler.

Beide Mitbestimmungsgremien können eine Wahlperiode von zwei Jahren haben, so die Verwaltung.

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07 – Gütersloh, Donnerstag 10. Oktober 2013