Geschichte der Arbeiterbewegung ist „der rote Faden“

Rheda-Wieden­brück (WB). Die Ge­schichte der eigenen Hei­mat hat ihn schon immer interessiert. Ein politischer Mensch ist er zudem. So ist es kein Wunder, dass Jo­chen Sänger, langjähriger Vorsitzender des SPD-Orts­vereins Rheda, ein ausge­sprochen umfangreiches Archiv zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rhe­da und Wiedenbrück zu­sammengetragen hat.

Die Ergebnisse seiner For­schungen gibt es jetzt in Buch­form auf 425 Seiten. Es ist beileibe nicht die erste Veröf­fentlichung zu diesem Thema. Schon 1975 hatte er ein 110-seitiges Heft zusammen­gestellt. Sängers eigenes Exemplar ist längst selbst ge‑
schichtsträchtig, denn darin sind die Original-Unterschrif­ten von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner zu finden, jener berühmten SPD-Troika, die von den Ge­nossen bewundert und vom politischen Gegner gefürchtet wurde. Wehner, damals Frak­tionschef der SPD im Bundes­tag, war 1976 sogar zu einer Mitgliederehrung in Rheda zu Gast (siehe Info-Kasten).

Sängers jetzt vorgelegtes Kompendium, betitelt »Der ro­te Faden«, ist die erweiterte und um vorher nicht zugängli­che Fakten erweiterte Fassung eines Buches, das in den späten 1980er Jahren auf den Markt gekommen war. Brigitte Frisch-Linnhoff, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, hat die Redigierarbeiten übernom­men und ist des Lobes voll: »Es sind viele neue Aspekte hinzugekommen. So gibt es jetzt deutlich mehr über die Geschichte der SPD in Wieden­brück zu lesen. Was die NS-Zeit betrifft, geht die Darstel­lung weiter in die Tiefe.«

»Und ich nenne erstmals Namen von Nazi-Funktionä­ren aus jener Zeit«, ergänzt Sänger. Interessant sei zum Beispiel auch, dass es einen NSDAP-Stützpunkt mit dem Namen Rheda-Wiedenbrück gegeben habe – lange, bevor irgendjemand daran dachte, die beiden eigenständige Orte zusammenzubringen. Die Zeit des Neuanfangs nach dem Krieg beschreibt Sänger unter anderem anhand des Schick­sals von Meinhard Brucholder, der sich beim Gastwirt Robert
Schneider unter dem Namen Fritz Althoff versteckt hatte, als erster Bürger die einrü­ckenden amerikanischen Streitkräfte begrüßte und spä­
ter zu den Mitbe­gründern der SPD in Rheda zählte.
Weitere The­men, mit denen sich das Buch be­fasst, reichen von den Anfängen des Sozialismus in Ost­westfalen (Dr. Otto Lüning und der Rhedaer Kreis) über die Gründung der Arbeiterwohl­
fahrt und den Na­mensstreit in Rhe­da-Wiedenbrück bis zur Landes­gartenschau. Selbstkritisch ist das Kapitel »Der holprige Weg in das neue Jahrtausend« überschrieben, denn es war mit großen Schwierigkeiten
verbunden, die Fusion der beiden Ortsvereine Rheda und Wiedenbrück voranzutreiben. »Mein Buch deckt die Zeit von 1840 bis zum 28. Februar
2014 ab«, sagt Jo­chen Sänger au­genzwinkernd.
»Dann war Redak­tionsschluss.«

Die Veröffentli­chung im DIN-A-4- Format, die die Rheda-Wiedenbrü­cker SPD im Eigen­verlag herausgibt, kostet 29,50 Euro (bis Ende April 25 Euro). Es ist in ei­ner Auflage von 205 Exemplaren erschienen und er­hältlich bei Brigitte
Frisch-Linnhoff, Oelder Straße 7, bei Jochen Sänger, la 0 52 42/4 65 81, und an den Marktständen der SPD wäh­rend des Wahlkampfes.
Am Tag, als Herbert Wehner kam

Zum 100jährigen Beste­hen des SPD-Ortsvereins Rheda kam der damalige Vorsitzende der Bundestags­fraktion Herbert Wehner in den Saal Neuhaus. Begeister­te Ovationen begleiteten sei­nen Auftritt. Vorsitzender der Sozialdemokraten in Rheda war Jochen Sänger, in Wie­denbrück Gerd Boxhammer. Wilhelm Ide berichtete da­mals für das WESTFALEN-BLATT und beschrieb mit wachem Blick, was sich am Rande der Veranstaltung er­eignete: »Herbert Wehners etwas verbissenes >Kämpfer‑
gesicht‹ blieb auch bei der Feier >voll in Aktion‹.

Nur einmal, als der Beifall gar nicht enden wollte, verklärte es sich. Eine Altsozialistin registrierte schwärmerisch: >Er hat gelächelt.‹ Die poli­zeilichen Begleiter Herbert Wehners hielten sich diskret im Hintergrund. Nicht so seine Tochter, die über das Wohlbefinden des Vaters wachte. Als der Gastwirt dem Politiker eine Flasche Mine­ralwasser hinstellte, legte sie erfolgreich ein Veto ein und servierte mitgebrachten Tee.«