Rheda-Wiedenbrück (gl). Die Interessengemeinschaft (IG) Werkfairträge ist mit dem Dr.-Lüning-Preis ausgezeichnet worden. Stellvertretend für sie haben ihre Initiatorin Inge Bultschnieder und ihre Mitstreiterin, die Ärztin Almuth Stork, die Auszeichnung am Donnerstagabend im Luise-Hensel-Saal in Wiedenbrück entgegengenommen. Den mit 500 Euro dotierten Preis hat der SPD-Ortsverein Rheda-Wiedenbrück damit zum zweiten Mal vergeben und das Augenmerk auf die Situation von Werkvertragsarbeitern gelenkt.
„Die Auszeichnung gelte Menschen, die in besonderem Maß zivilcouragiertes Verhalten zeigen“, hatte SPD-Ortsvereinsvorsitzende Brigitte Frisch-Linnhoff zur Begrüßung erläutert, bevor der SPD-Landtagsabgeordnete Hans Feuß in seiner Laudatio das Geheimnis lüftete. Er würdigte das Engagement der IG Werkfairträge, die sich für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten bei Subunternehmen in der Nahrungsmittelindustrie und deren Familien einsetzt. Der Interessengemeinschaft gelinge es, durch Demonstrationen, Informationen und Aktionen das soziale Gewissen der Menschen zu schärfen. Sie habe entscheidend dazu beigetragen, dass der Runde Tisch gegründet wurde. In diesem Gremium, das Bürgermeister Theo Mettenborg moderiert, treffen sich unter anderem Vertreter des Fleischwerks Tönnies, der Kirche, von Wohlfahrtsverbänden und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, um sich mit der Situation zumeist osteuropäischer Werkvertragsarbeiter zu befassen. Eine vierte Sitzung ist für Oktober anvisiert.
Der Laudator blickte auf die Anfänge der vor rund einem Jahr gegründeten Initiative zurück, der 2012 eine besondere Begegnung vorangegangen war. Inge Bultschnieder hatte im Krankenhaus die bulgarische Werkvertragsarbeiterin Katya getroffen, deren Lebenssituation kennengelernt und sich mit ihrer Familie ihrer angenommen. Feuß ging auf die Angst vor Kündigung ein, die er an einem Vorfall verdeutlichte, den Almuth Stork erlebt habe: Ein Mann hatte, obwohl Desinfektionsmittel in seinen Stiefel gelangt war, weitergearbeitet.
„Diese Menschen brauchen eine Lobby“, habe Inge Bultschnieder einmal gesagt, zitierte Feuß. Und er könne, wenn auch mit derben Worten, sagen: “Sie haben eine saugute Lobby.“ Die Interessengemeinschaft werde die Probleme der Beteiligten nicht für, sondern mit ihnen lösen. Er zitierte den Frühsozialisten Dr. Otto Lüning (1818 bis 1868) mit dem Motto „Ihr sollt nicht träumen, Ihr sollt handeln.“ und fügte hinzu: Diese Frauen haben gehandelt und viele mitgenommen.
Hintergrund:
Den Dr.-Lüning-Preis für engagiertes Bürgerverhalten und Zivilcourage hat der SPD-Ortsverein Rheda-Wiedenbrück im vorigen Jahr erstmalig vergeben. Er ging an Hugo Heinemann. Der Auschwitz-Überlebende hat sich um die Aufklärungsarbeit über die Zeit des menschenverachtenden Nationalsozialismus verdient gemacht. Auch er war am Donnerstag bei der Feierstunde. Ebenfalls eingeladen waren die anderen für den Preis vorgeschlagenen Bewerber. Dies waren der Pferdeschutzhof Four Seasons aus Lintel, der Verein Laufen und Gutes tun aus St. Vit sowie die Flüchtlingsberaterin Marita Sieben. Letztlich war die Wahl des Ortsvereinsvorstands auf die Initiative Werkfairträge gefallen. Brigitte Frisch-Linnhoff erklärte zu den Kandidaten: Jeder trägt dazu bei, Rheda-Wiedenbrück zu einer gewaltfreien, toleranten und offenen Stadt zu machen.