CDU lässt Steuerbombe platzen

VON MEINOLF PRAEST

Rheda-Wiedenbrück. Die finanzpolitische Bombe des Jahres ließ Alexander Siefert, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, im Rat als zehnten von elf Anträgen zum Etat 2015 der Stadt platzen: Ohne jede Vorankündigung setzte die Union mit ihrer absoluten Mehrheit am Montag eine Anhebung der Grundsteuer B für bebaute und bebaubare Flächen durch: von bisher 381 auf 423 Punkte, den fiktiven Hebesatz des Landes und Spitzensteuersatz kreisweit. Die Eigenheimbesitzer bekommen diese Nachricht demnächst auch schriftlich – in Form eines geänderten Gebührenbescheides.

Die Mehreinnahmen von rund 723.000 Euro verstehe die CDU "als Beitrag von uns allen, um die beschlossenen Investitionen, die insbesondere bei der Gesamtschule durch einen breiten Elternwillen manifestiert wurden, generationengerecht schultern zu können", so Siefert. Die Fraktion habe sich diesen Schritt nicht leicht gemacht. Siefert: "Die Jahresergebnisse sind trotzdem absehbar negativ, so dass wir nicht umhin können, mit Augenmaß an dieser Stellschraube zu drehen. Ein Rundumschlag kam dabei für uns von Anfang an nicht in Frage." Denn zuvor hatte die CDU noch den Antrag der Bündnisgrünen, auch die Grundsteuer A (192 Punkte) und die Gewerbesteuer (403 Punkte) auf die vom Land NRW zugrundegelegten Hebesätze (213 bzw. 415 Punkte) zu erhöhen, gemeinsam mit FDP und UWG abgelehnt. Dies hätte Mehreinnahmen von gut zwei Millionen Euro ausgemacht. Die SPD enthielt sich.

Den Gesamthaushalt mit einem Volumen von rund 123 Millionen Euro trägt denn auch (fast) einzig die CDU. SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP sowie Dirk Kamin (UWG) stimmten dagegen. Auch Fritz Ludwig (Die Linke) votierte mit der CDU. Er erntete dafür spöttisches Gelächter.

Es war eine mehr als zweistündige Debatte mit harten Bandagen. Die Opposition beklagte unisono, dass der Haushalt, den Kämmerer Peter Bremhorst Mitte Dezember eingebracht hatte, mit einem Defizit von 6,7 Millionen Euro strukturell nicht ausgeglichen sei – und das trotz Steuereinnahmen in Rekordhöhe. Die Ausgleichsrücklage von bisher 19,1 Millionen Euro, das Notpolster also, werde bis Ende 2018 bis auf 2,1 Millionen Euro sinken. Francesco Trifoglio (SPD) beklagte angesichts einer kaum zu schulternden Investitionshöhe, dass "zu hohe Standards, Ortsteildenken, Lobbygruppenbedienung und Großprojekt an Großprojekt" die Stadtkasse langfristig "ausplündern". Der Stadt werde jeder Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum geraubt. Unabdingbar sei aber, "alte Zöpfe und Pfründe zu beschneiden". Den Menschen vor Ort müsse der Rat sagen, "dass wir uns auf Dauer auch die Doppelpoligkeit in der Stadt nicht leisten können".

Volker Brüggenjürgen (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, dass es im Rat "kein ernsthaftes Bemühen zur Sanierung des Haushalts" gebe. Der CDU und namentlich Bürgermeister Theo Mettenborg (CDU) warf er "Führungsversagen und finanzpolitischen Kontrollverlust" vor. CDU und Mettenborg hätten "ihren finanzpolitischen Gestaltungsanspruch in Gänze aufgegeben". Haushaltsrecht sei aber das "Königsrecht" des Rates. Brüggenjürgen verlangte, dass der Haushalt – wie von der Gemeindeordnung vorgeschrieben – ausgeglichen sein müsse und nicht erst im März, sondern auch künftig noch im laufenden Kalenderjahr verabschiedet werden müsse. Einstimmig unterstützte der Rat dies: Der Entwurf des Etats 2016 soll bereits im Oktober eingebracht und noch im Dezember verabschiedet werden.

Für die FDP nannte Patrick Büker den Etat 2015 "alarmierend". "Wir tragen heute die städtischen Finanzen zu Grabe." Die von der CDU durchgesetzte Anhebung der Grundsteuer B geißelte er als "unsozial". In Wahrheit handele es sich um eine "Sonderabgabe für die CDU-Gedächtnishalle"; denn die Union wird aus den zusätzlichen Steuereinnahmen 600.000 Euro jährlich bis 2019 – also drei Millionen Euro insgesamt – als Ansparung für die geplante neue Stadthalle an die Flora Westfalica überweisen. Wie SPD und Grüne forderte auch Büker eine Reaktivierung der vom Rat bereits eingesetzten Arbeitsgruppe namens "Haushalt der Zukunft".

Dirk Kamin (UWG) sprach von einer "irren Einnahmesituation" in der Stadt. Es gebe kein Einnahme-, wohl aber ein Ausgabeproblem. Die Anhebung der Grundsteuer B werde der angespannten Wohn- und Mietsituation in der Stadt weiter schaden. Kamin kritisierte, dass der Rat die Haushalte in den vergangenen Jahren "durchgewunken" habe. Von einer "schwarzen Null", wie vom Kämmerer angestrebt, könne keine Rede mehr sein.

CDU-Fraktionschef Uwe Henkenjohann wertete die Angriffe der Opposition auf CDU und den Bürgermeister als unfair. Insbesondere auch die Millioneninvestitionen in die Schulen, vor allem die Gesamtschule, seien "von allen mitbeschlossen" worden. Die anderen Fraktionen, so Henkenjohann, hätten wohl auch das Kommunalwahlergebnis 2014 mit dem Erfolg für die CDU noch nicht verdaut – und setzten bereits ein Jahr später dazu an, die Mehrheitsverhältnisse wieder ändern zu wollen. Als "befremdlich" wertete Henkenjohann die Angriffe auf Mettenborg: "Ich habe große Sorge, dass wir keinen Bürgermeister mehr finden, der Ihren Anforderungen gerecht wird."

Auch Mettenborg selbst bezeichnete die Vorwürfe gegen ihn als "absurd": "Dagegen verwahre ich mich." Die geplante Stadthalle etwa sei "nicht versprochen, sondern nur aufgezeigt". Aber der Rat werde sich in dieser Frage "klar positionieren" müssen: "Da gibt es kein Jein, sondern nur ein klares Ja oder klares Nein." Bei aller Kritik dürfe man nicht vergessen, dass der Haushalt in den letzten Jahren bereits um fünf Millionen Euro konsolidiert worden sei, davon allein 900.000 Euro im Personalsektor. Auch externe Umlagen belasteten den Haushalt, allein der umstrittene "Kommunalsoli" reiße ein Loch von 1,6 Millionen Euro. Mettenborg forderte die Ratsmitglieder auf, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und zur Zusammenarbeit zurückzukehren. Wenn es Kritik gebe, dann müsse sie konkret und dezidiert und nicht in Allgemeinplätzen vorgebracht werden.

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07 – Gütersloh, Mittwoch 11. März 2015