
Rheda-Wiedenbrück (wd). Dass die Lage auf dem heimischen Wohnungsmarkt extrem angespannt ist, hat niemand auf dem Podium in Zweifel gezogen. Über Lösungsansätze und Strategien für die Zukunft sind die Meinungen bei der von der Rheda-Wiedenbrücker SPD initiierten Veranstaltung Eklatante Wohnungsnot in Rheda-Wiedenbrück schon weit auseinandergegangen. Erste recht war das der Fall, als aus dem großen Auditorium viele, zum Teil eher unkonventionelle Vorschläge kamen.
Die Bandbreite reichte von der Forderung, die allgemeinen Standards für Häuser zu senken und einfacher zu bauen bis hin zur Idee, ungenutzten Raum über eingeschossigem Einzelhandel für Wohnraum zu erschließen und mutig in die Höhe zu denken. Dass zahlreiche Häuser und Wohnungen in der Stadt teilweise über viele Jahre leer stehen, weil die Besitzer schon in Seniorenheimen leben, trieb andere Diskussionsteilnehmer um. Es wurde eine Taskforce im Rathaus gefordert, die auf die Besitzer positiv einwirken solle, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Alten Bestand durchzuforsten könne auch in eine Tauschaktion Jung für Alt münden.
Auch die Abschaffung von Hemmnissen, welche ausufernde Bürokratie mit sich bringe, forderten die Teilnehmer der Diskussion im Haus der Ausbildung am Sandberg. Wenn etwa der große Bedarf an kleineren Wohnungen zwischen 28 und 45 Quadratmetern gedeckt werden müsse, dürfe das nicht an der Stellplatzfrage scheitern: Das muss auch ohne die gesetzlich vorgeschriebenen 1,3 Stellplätze pro Wohneinheit machbar sein, wurde mit Nachdruck gefordert. Ein Vorschlag, den Bauunternehmer Markus Krähenhorst auf dem Podium begrüßte: Wir würden durchaus gern mehr kleine Einheiten bauen, wenn die Stellplatzfrage eine andere wäre. Auch er war mit den zu langen bürokratischen Wegen unzufrieden: Wir planen über ein Jahr, was wir in nur einem halben Jahr bauen. Da muss sich was tun.
Wie dringlich das Problem ist, machte Gudrun Bauer, Vorsitzende des Sozialausschusses, an aktuellen Zahlen deutlich: 1399 Anträge von Menschen mit Wohnberechtigungsschein liegen derzeit im Rathaus vor. Weil auch Familien darunter sind, fehlt für mehr als 3000 Manschen eine Sozialwohnung.
20 Prozent aller von der Stadt genehmigten Bauvorhaben entfallen auf öffentlich geförderten Wohnungsbau, rechnete Baudezernent Stephan Pfeffer vor, eine super Quote. Wir sind froh, dass sich dieser Wert in den Köpfen verankert hat. Mehr sei nur machbar, wenn Bund und Land größere Fördertöpfe auflegen würden.
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Sozial Benachteiligte ohne Chance
Rheda-Wiedenbrück (wd). Stephan Pfeffer, der die aktuelle Wohnraumstudie der Stadt vorstellte, verwies auf die Schwierigkeit, Baugrund in größeren Mengen aufzutun. Als aus dem Auditorium umgehend auf zahlreiche, seit Jahren brach liegende Grundstücke verwiesen wurde, konterte er: Die Eigner haben gar kein Interesse, diese zu verkaufen. Was sollen sie mit einer Million auf dem Konto, wenn das Geld derzeit keine Zinsen bringt? Da lässt man das Grundstück lieber für später liegen.
Während der Baudezernent mit seinem Team den Blick vorwiegend auf Strategien (Bis 2035 haben wir einen Bedarf an 3350 neuen Wohneinheiten) richtete, brannte wie Gudrun Bauer auch Marita Brormann vom Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer (SKFM) die missliche Lage besonders für sozial Benachteiligte auf den Nägeln. Menschen mit Suchtproblemen, hoch Verschuldete, psychisch Kranke, Behinderte, die allein zurecht kämen in einer eigenen Wohnung, Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen sie alle hätten auf dem überhitzten Wohnungsmarkt keine Chance. Und wer die überhöhten Mieten langfristig nicht bezahlen kann, kippt irgendwann völlig hinten rüber, beklagte die Sozialarbeiterin. Deutlich höher als 20 Prozent müsse die Quote für sozialen Wohnungsbau liegen. Bauer fügte hinzu: Wir bräuchten auch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft.
Zusammenfassend gab Diskussionsleiter Dirk Kursim dem Baudezernenten einen stattlichen Forderungskatalog mit auf den Weg ins Rathaus: Mehr Wohnraum für Geringverdiener, mehr kleinere Wohneinheiten, kürzere Planungszeiten, bessere Ausnutzung knappen Grunds durch mehrgeschossiges Bauen, weniger Standards, mehr Gestaltungsfreiheit für Bauherren und mehr Unterstützung für Menschen wie Marita Brormann, die Wohnraum für sozial Benachteiligte sucht.