Immer mehr Frauen, die Gewalt erfahren, suchen Schutz. Aber sie finden in Deutschland oft keine Zuflucht. Frauenhäuser sind meist voll belegt, rund 14.000 Plätze fehlen. Schutzsuchende Frauen und deren Kinder müssen in 8 von 10 Fällen aus Platzmangel von Frauenhäusern abgewiesen werden. Auch im Kreis Gütersloh mit seinen über 350.000 Einwohnern gibt es nur ein Frauenhaus. Die eklatante Schieflage zwischen den angebotenen Plätzen und dem tatsächlichen Bedarf hat die Ratsfraktionen der „Offene Liste Rheda–Wiedenbrück“ und die SPD-Ratsfraktion dazu bewegt, folgenden Antrag an die Stadt Rheda-Wiedenbrück zu stellen, um dieses Problem ins Bewusstsein zu rufen und zur prüfen, inwieweit die Stadst hier tätig werden kann.
Es soll geprüft werden, welche Schritte erforderlich sind, um ein Frauenhaus in Rheda–Wiedenbrück zu gründen.
Folgende Fragen sollen geklärt werden:
– Gibt es städtische Immobilien, die dafür geeignet sind, der erforderlichen Zahl von 8 Frauen und ihren Kindern Zuflucht zu gewähren?
– Welche finanziellen Mittel sind erforderlich?
– Welche Zuwendungen werden vom Land NRW gewährt?
– Inwieweit sind örtliche Spenden oder Stiftungsmittel zu generieren, um einen Trägerverein zu gründen?
– Gibt es Träger, solch ein Haus federführend zu begleiten?
– Es wird angeregt, eine Vertreterin des Vereins „Frauen für Frauen e.V.“, der Träger des Frauenhauses Gütersloh ist einzuladen
Begründung des Antrags:
Im Jahr 2022 ist die Zahl der Opfer Häuslicher Gewalt um 8,5 % auf 240.547
angestiegen (2021: 221.615). In rund 77 Prozent der Fälle ist der Ehemann oder
Partner der Täter. Nach wie vor dominieren eindeutig die Fälle von männlicher
Gewalt in heterosexuellen Partnerschaften. Die Deliktsstruktur bei Gewalt in
Partnerschaften reicht von vorsätzlicher einfacher und schwerer Körperverletzung,
Nötigung und Stalking über Vergewaltigung bis hin zu Mord und Totschlag. (Quelle:
Bundeskriminalamt: Bundeslagebild Häuslicher Gewalt)
Es handelt sich dabei aber nur um die angezeigten Zahlen, also das Hellfeld. Die
Zahl der nicht erfassten Fälle ist sicherlich um ein Vielfaches höher. Weil
Partnerschaftsgewalt meist im Privaten stattfindet und Betroffene sich oft schämen,
werden viele Taten nicht angezeigt. Sie bleiben im Dunkelfeld und tauchen nicht in
der Kriminalstatistik auf. In Dunkelfeldstudien gibt bis zu einem Viertel der
befragten Frauen an, bereits Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden zu sein.
Besonders von Partnerschaftsgewalt betroffen sind Frauen zwischen 30 und 40
Jahren. Tatverdächtig sind besonders oft Männer im selben Alter. Opfer waren in
den meisten Fällen (69 Prozent) deutsche Staatsangehörige. Bei den ausländischen
Staatsangehörigen kam die größte Opfergruppe aus der Türkei, gefolgt von Frauen
aus Polen und Syrien. Pro Stunde werden 14 Frauen Opfer von häuslicher Gewalt.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass Häusliche Gewalt in allen gesellschaftlichen
Schichten präsent ist.
Zu oft werden Frauen in die Opferrolle verwiesen und mintunter sogar verdächtigt,
womöglich selbst einen Anteil an der Eskalation zu haben. Die häufige Täter–Opfer
Umkehr macht es den Betroffenen zusätzlich schwer das Erlebte zu verarbeiten.
Werden Kinder und Jugendliche Zeugen von häuslicher oder sexualisierter Gewalt
begleiten sie die Folgen häufig ein Leben lang.
„Nicht die Betroffenen sind das Problem, sondern die Täter und eine Gesellschaft,
die wegschaut und stigmatisiert. Um häusliche Gewalt zu bekämpfen, müssen wir
unsere gesellschaftlichen Strukturen verändern.“ (Anna Sophie Herken, Opfer
Häuslicher Gewalt)
Deutschland hat sich dem Schutz von Frauen vor Gewalt international und national
über Abkommen und Gesetze verpflichtet und ist im Jahr 2018 der Istanbul–
Konvention beigetreten, ein bindender völkerrechtlicher Vertrag zur Verhütung und
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. „Keine Frau darf sich
schämen, Gewalttäter anzuzeigen. Wir müssen helfen, das Schweigen zu brechen.
Gewalt an Frauen ist kein Frauenproblem. Gewalt gegen Frauen darf nicht als
privates Schicksal abgetan werden.“ (Innenministerin Nancy Faeser)
Es fehlt jedoch an ausreichenden Angeboten. Schutzsuchende Frauen und deren
Kinder müssen in 8 von 10 Fällen aus Platzmangel von Frauenhäusern abgewiesen
werden. Sie müssen erstmal in ihre Familien zurückkehren, zu den gewalttätigen
Männern. Im gesamten Bundesgebiet gibt es lediglich 6.800 Frauenhausplätze.
Mindestens 14.000 weitere Frauenhausplätze fehlen.
Im Kreis Gütersloh gibt es lediglich in der Stadt Gütersloh ein Frauenhaus. Die
nächsten Frauenhäuser sind in Bielefeld, Detmold, Paderborn, Herford, Warendorf,
Telgte, Soest und Hamm. Eine Aufnahme war zum Zeitpunkt der Antragstellung in
keinem der Häuser möglich. (Quelle: https://www.frauenhaus–suche.de)
Diese Situation ist nicht länger hinnehmbar. Um allen Frauen und ihren Kindern
Hilfe zu gewähren, bedarf es mehr Zufluchtsorte. Als zweitgrößte Stadt im Kreis
Gütersloh sollte sich die Stadt Rheda–Wiedenbrück dieser Aufgabe widmen.