Kapitel XI – Neuaufbau nach 1945

Die Sozialdemokratische Partei warnte vor 1933 die Bürger in Deutschland vor den Gefahren, die von Hitler und seiner Parteiorganisation, der NSDAP, ausgingen. Die Warnung der SPD an die deutsche Bevölkerung, „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“, war 1945 zur bitteren Wahrheit geworden. Viele Sozialdemokraten mußten ihre politische Gesinnung im Dritten Reich mit dem Leben bezahlen. Die Faschisten hatten es aber nicht geschafft, sozialdemokratisches Gedankengut völlig auszurotten. Als nun am 8. Mai 1945 Hitler-Deutschland militärisch, wirtschaftlich und weltanschaulich geschlagen war, bemühten sich Sozialdemokraten als erste um den demokratischen Wiederaufbau Deutschlands. Schutt, Asche und Millionen von Menschen, die nicht mehr wussten, was Recht und Unrecht war, die erst anfingen, die furchtbaren Verbrechen des Hitler-Faschismus zu begreifen, prägten das Gesicht Deutschlands nach dem Zusammenbruch.

Noch vor der Beendigung des Zweiten Weltkrieges nahmen die Rhedaer Sozialdemokraten wieder Kontakt untereinander auf. Erste Gespräche fanden unmittelbar nach der Befreiung Rhedas durch die Amerikaner, Anfang April 1945, statt. Um August Eickholt und Meinhard Bruchholder versammelten sich diejenigen SPD-Mitglieder, die bereit waren, den SPD-Ortsverein Rheda neu zu gründen. Bevor es soweit war, vergingen jedoch noch einige Monate. Keiner wusste so recht, wie es weitergehen sollte. Einig war man sich da-rüber, dass so schnell wie möglich mit der politischen Aufbauarbeit begonnen werden musste. Sofort nach der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 wurden die ersten Gespräche mit den Vertretern der britischen Besatzungsmacht geführt, welche zwischenzeitlich – nach der Aufteilung Deutschlands in Besatzungssektoren – die Verwaltungshoheit im Kreis Wiedenbrück übernommen hatte. Ende Juli 1945 erhielten Rhedaer Sozialdemokraten vom Kommandanten der Militärregierung in Wiedenbrück die Erlaubnis zur Neugründung des SPD-Ortsvereins Rheda. Die Gründungsversammlung fand am 7. August 1945 in der Gaststätte Schneider statt. Das folgende Protokoll über die Gründungsversammlung ist im Original erhalten.

„Protokoll der Gründungs-Versammlung des Sozialdemokratischen Ortsvereins Rheda (Westf.)
Am 7. August 1945 kamen erstmalig einige alte Genossen der Sozialdemokratischen Partei aus der Zeit von vor 1933 zusammen. Dieselben hatten von der Alliierten Militärbehörde die Erlaubnis bekommen, mit gleichgesinnten Volksgenossen die Sozialdemokratische Partei wieder ins Leben zu rufen.
Folgende sechzehn Gen. hatten als erste die politisch. Fragebogen auszufüllen. Der Gen. Eickholt, Herrmann, Wolkenstein, Schubert, Neuhoff, Bruchholder, Mäuseler, Stork, Metzger, Brune, Lawnitzack, Wehner, Nahrmann, Birkemeyer, Ortmeier, Heineke.
Die Gen., die mit einigen Ausnahmen, am oben genannten Tage in der Gastwirtschaft von Rob. Schneider zusammengekommen waren, wählten aus ihrer Mitte folgende Personen zum Vorstand: I. Vorsitzender Aug. Eickholt, II. Vorsitzender Meinhard Bruchholder, Kassierer Erich Mäuseler, Schriftführer Heinrich Heineke, Kassenprüfer Ignatz Nahrmann und Adolf Neuhoff. Da der Altgen. Franz Herrmann über viel Freizeit verfügte, übernahm er mit dem Gen. Eickholt die auszuführenden organisatorischen Arbeiten zum weiteren Ausbau des Ortsvereins. Außerdem wurde die Abhaltung einer öffentlichen Versammlung in Erwägung ge-zogen. Dann wurde noch das der Milt.-Regr. vorzulegende Statut besprochen. Es wurde festgelegt, daß über Aufnahme in die Partei die Mitgliederversammlung entscheidet, außerdem sollen Personen, die der NSDAP angehört haben, besonders überprüft werden und, falls es sich als notwendig erweist, eine Wartezeit durch-machen, auch hierüber soll die Mitgliederversammlung entscheiden. Die bei der Milt.-Reg. zu erledigenden Arbeiten übernahm der Gen. Bruchholder, der ebenfalls über die abzuhaltende öffentliche Versammlung vorstellig werden wollte. Nachdem man alle Fragen betreffs des Aufbaus des Ortsvereins eingehend besprochen hatte, wurde die erste Zusammenkunft geschlossen.

Heinrich Heineke
Schriftführer“

Die politischen Ziele, die sich der Ortsverein Mitte 1945 setzte, gingen aus dem nachfolgenden Schreiben an den Kommandanten der Militärregierung in Wiedenbrück deutlich hervor. „Die unten aufgeführten Personen haben sich zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, um die Wiedergründung der Sozialdemokratischen Partei (in der Folge SPD genannt), die vor dem Jahre 1933 als eine der größten Parteien Deutschland bestand, wieder ins Leben zu rufen.
Indem wir nochmals den alliierten Truppen für die Befreiung vom Hitlerjoch besonders danken, bitten wir durch dieses Schreiben, uns die Genehmigung zu erteilen:
1. die Partei zu genehmigen,
2. Versammlungen abzuhalten.
3. neue Mitglieder aufzunehmen,
4. Mitgliedsausweise auszustellen und auszugeben.

Zur Orientierung geben wir folgendes an:

Die SPD ist z. Zt. örtlich begrenzt, trägt den Namen „Sozialdemokratischer Ortsverein Rheda i./W.“ und nimmt ihre organisatorische Arbeit wieder auf, die von der Nationalsozialistischen Partei 1933 verboten wurde. Sie stützt sich im großen Rahmen auf die bis dahin bestandenen Statuten der großen Partei.

1. Erfassung sämtlicher Berufsschichten und Erziehung zur wahren Demokratie.
2. Heranziehung der Mitglieder zur gemeinsamen Aufbauarbeit im sozialistischen Sinne.
3. Besonders die deutsche Jugend zu erfassen, um dieselbe im demokratischen Sinne zu erziehen und sie
vom Gift Nationalsozialismus zu befreien.
4. Die SPD sagt jeder gegnerischen Partei mit diktatorischen Bestrebungen den schärfsten Kampf an, ist
aber stets bereit, mit jeder Organisation, die auf demokratischer Grundlage steht, zusammenzuarbeiten,
um am Wiederaufbau Deutschlands zu helfen.
5. Die SPD lehnt jede Organisation oder Vereinigung, die einen militärischen Charakter trägt, grundsätzlich
ab.
6. Die SPD wird zu den kommenden Kommunalwahlen ihre Vertreter aufstellen, um Einfluß in das
öffentliche und kulturelle Leben zu gewinnen und dafür einzutreten, daß der geringste Nazieinfluß aus
dem öffentlichen Leben beseitigt wird (besonders in der Erziehungsarbeit der Jugend).
7. Die SPD kämpft für Gesinnungsfreiheit und Recht, aufgebaut auf die Gesetze der Weimarer Verfassung
von 1933.
8. Die SPD garantiert den wohlerworbenen Privatbesitz, fordert aber die Enteignung des Vermögens der
Kriegsverdiener und Kriegsverbrecher, für den Wiederaufbau und die Wiedergutmachung der durch
Hitler und seine Clique entstandenen Schäden.
9. Die SPD bestrebt den Zusammenschluß der arbeitenden Schichten in freie Gewerkschaften und fördert
die Erziehungsarbeit im demokratischen und sozialistischen Sinne.
10.Sämtliche Willenserklärungen und Beschlüsse werden von den Mitgliedern in den Monatsversammlungen
durch Abstimmung vorgenommen.
August Eickholt, 1. Vorsitzender

Meinhard Bruchholder, II. Vorsitzender
Erich Mäuseler, Kassierer

Heinrich Heinecke, Schriftführer
Adolf Neuhoff, Beisitzer

Hans Ortmeier, Beisitzer
Ignatz Nahmann, Revisor

Ferner nahmen als Mitbegründer teil:
Hermann Wolkenstein
Franz Hermann Heinz Wehner
Valentin Lawnitzack Heini Brune
Heinrich Stork Willi Birkemeier
Jakob Metzger Max Schubert.

Die Fragebogen dieser 16 Personen sind bereits von der Militär-Regierung 108 MIL. GOV. DET. Landkreis Wiedenbrück, geprüft und genehmigt.
Sämtliche angeführte Personen haben ihre Ämter ehrenamtlich angenommen und erhalten hierfür keinerlei Entgelt; sie sind nur von dem Wunsch beseelt, aus diesem, uns von Hitler hinterlassenen Chaos, ein freies demokratisches Deutschland zu schaffen, das in der Gemeinschaft der Völker einst wieder einen gebührenden Platz einnehmen kann.
Wir hoffen Ihnen, sehr geehrter Herr Kommandant, mit diesen Ausführungen einen Einblick in unsere zu gründende Gemeinschaft gegeben zu haben und würden uns freuen, wenn Sie die Güte haben würden, uns die Mitarbeit und das Wohlwollen der britischen Besatzungsbehörde zu gewährleisten.

Mit vorzüglicher Hochachtung!
(August Eickholt) I. Vorsitzender (Meinhardt Bruchholder) II. Vorsitzender u. Sprecher
Rheda, Langestr. 18 Rheda, Langestr. 19″
Die erste öffentliche Versammlung konnte der neugegründete Ortsverein – mit Genehmigung der Militärregierung – am 1. September 1945 im alten Rhedaer Kino an der Bahnhofstraße durchfuhren. Es sprach der Bielefelder Stadtverordnete Carl Schreck über die aktuelle politische Situation im Lande. Es war in den Nachkriegsmonaten noch schwer, auswärtige Referenten zu bekommen, da deren Anreise nicht zuletzt an den noch schlechten fahrplanmäßigen Verbindungen scheiterte.

Der SPD-Ortsverein Rheda war somit einer der ersten im Regierungsbezirk Minden, der seine politische Arbeit wieder aufnahm. Von der „Fürstlich zu Bentheim-Tecklenburgische Kanzlei“ mietet der Ortsverein für seine Arbeit „zwei Räume im Erdgeschoss“ des früheren Amtsgerichtes am 1. September 1945 an; die Nutzung erfolgte jedoch schon seit dem 15. August 1945.
In der Wiederaufbauphase fanden die Mitgliederversammlungen der Rhedaer Sozialdemokraten über- wiegend in einem 14tägigen Rhythmus statt. Vielschichtig waren die Probleme. Im wesentlichen bestimmten 3 zentrale Themen die Diskussionen innerhalb des SPD-Ortsverein Rheda (W) und zwar:

1) Die Überwindung der durch den nationalsozialistischen Krieg hervorgerufenen Notlage
und Linderung der in Not und am Rande der Existenz stehenden Arbeiterfamilien. (Lebens-
mittelversorgung, Wohnraumbeschaffung, Verteilung von Brennmaterialien).
2) Der Einsatz für den demokratischen Aufbau in allen gesellschaftlichen Bereichen.
3) Der Aufbau der Sozialdemokratischen Parteiorganisation.

In dem Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 8. September 1945 ist festgehalten, daß über die Wiedergründung des „Turn- und Sportverein Rheda . . . wiederum lebhaft“ diskutiert wurde. über den Erfolg, der „von hieraus zu ergreifenden Maßnahmen“ bestand jedoch Uneinigkeit. Diese Protokollnotiz belegt, daß seit der Wiederbegründung des SPD-Ortsvereins in Rheda mehrfach Beratungen über die Neuorganisation der Arbeitersportbewegung in Rheda stattfanden. Die Not in der Bevölkerung war groß. Überall wirkten sich die Kriegsfolgen negativ aus. Insbesondere die Arbeiterfamilien waren betroffen. Lebensmittel konnte man über Lebensmittelkarten erhalten. Die täglichen Zuteilungen waren so knapp bemessen, daß das Überleben gerade gesichert war. Wer über wertvolle Haushaltsgegenstände und Schmuck verfügte, tauschte diese Gegenstände in landwirtschaftlichen Betrieben gegen Kartoffeln, Kohlköpfe und Speckseiten ein. Dieser „Schwarzhandel“ war streng verboten. Deshalb war Vorsicht geboten. Auf Schleichwegen erreichten die notleidenden Familienmitglieder Bauernhöfe und waren oft Tage unterwegs. „Organisieren“, ein Wort aus der Landsersprache, wurde zum bestimmenden Ausdruck. Organisieren hieß, das Gesetz zu umgehen und der Ordnung auszuweichen. Organisieren war lebensnotwendig. Alle haben organisiert in dieser Zeit, trotz der drakonischen Strafen. Nicht nur die Bekleidung und die Haushaltseinrichtungen waren knapp, auch das Brennmaterial für die Wohnungen fehlte. Hierüber wird auch in dem vorgenannten Protokoll berichtet:
„. . . kam man auf die Frage des Brennmaterials zu sprechen, das hier am Ort unter der Bevölkerung sehr knapp ist. Es wurde beschlossen, daß Männer aus der Ortsgruppe beim englischen Gouverneur vorstellig werden, um evtl. in dieser Angelegenheit einige Erleichterungen zu erwirken. Außerdem waren zwei Genossen beim Fürsten von Bentheim, der die Zusage gab, für die Hälfte der Rhedaer Haushaltungen je 1 rmtr Holz zur Verfügung zu stellen“. Brennstoff war Mangelware. Was die mühsam in Betrieb gehaltenen Kohlegruben hergaben, mußte zum Teil an die Alliierten abgeliefert werden. Für die Bevölkerung blieben nur 3 Zentner Kohlezuteilung pro Person.

Die katholische Kirche bemühte sich in diesen Monaten um den Aufbau neuer Bekenntnisschulen. Auch in der Bevölkerung fanden hierüber Diskussionen statt. Am 14. September 1945 befaßten sich die Rhedaer Sozialdemokraten mit diesem Thema. „Von Seiten der katholischen Kirche wird gegenwärtig lebhafte Propaganda gemacht zur Wiedereinführung der Bekenntnisschule. Da die meisten der Versammlungsteilnehmer jedoch der Ansicht waren, daß durch derartige Werbung in weite Kreisen der Bevölkerung wieder Uneinigkeit und Verhetzung hineingetragen wird, wurde beschlossen, daß Mitglieder des Vorstandes sich mit Vertretern beider Konfessionen zu einer

Aussprache zum obigen Punkt zusammenfinden.“ Aus den Akten des SPD-Ortsvereins Rheda geht hervor, daß es nach einer von der britischen Militärregierung erteilten Genehmigung für dieses Gespräch zu einer gemeinsamen Aussprache kam. An dieser Aussprache nahm u.a. teil, der Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde, Herr Grawe, Herr Bodenstein von der ev. Kirchengemeinde und Vertreter der „Partei für die Gemeinschaftsschule“. Jeder dieser Teilnehmer hatte das Recht, noch zwei weitere Vertreter ihrer Anschauung mitzubringen. Über das Ergebnis dieser Aussprache – welche im Gesellschaftszimmer des Hotels Eintracht stattfand, liegt keine Protokollnotiz vor.

Aus diesen Zeitraum stammt folgender Brief der Rhedaer SPD an das Bürgermeisteramt in Rheda, welcher eine Situationbeschreibung 1/2 Jahr nach Kriegsende beinhaltet. „Solange noch in Rheda Nazi-Kanonen, deren Frauen nach wie vor noch in Pelzmänteln laufen, genügend oder sogar im Überfluss Wäsche und Kleidungsstücke besitzen, lehnen wir es ab, irgend ein Stück für die Sammelaktion zu geben. Wir bitten, unsere Mitglieder in dieser Angelegenheit nicht zu belästigen. Ausserdem legen wir hiermit Protest ein gegen die Nazimethoden des Angestellten Paul Dressman, der unter Drohung mit der Polizei Sachen aus dem Hause des Herrn Birkemeier holte. Die Frau unseres Genossen W.Birkemeier war allein im Hause und führte der P. Dressmann aus: „Ich muss von Ihnen 1 Decke, 1 Paar Schuhe, 1 Paar Socken, 1 Jacke und 1 Hose haben. Es muss schnell gehen, denn die Polizei ist draussen, sonst sehen wir den Kleiderschrank nach, dann bekommen wir mehr als wir haben wollen.“ Der Schußsatz lautete: „Wir wollen einen demokratrischen Staat aufbauen und die Räubereien, wie sie die Nazis ausführten, müssen jetzt aufhören.“

Neben dem SPD-Ortsverein Rheda organisierten sich im Kreis Wiedenbrück weitere SPD-Ortsvereine neu. Um die sozialdemokratische Politik im Kreis Wiedenbrück besser koordinieren zu können, bemühten sich die neu gebildeten Ortsvereine um die Gründung einer Kreisorganisation. Die Bildung eines „Kreisvereins Wiedenbrück“ stand deshalb auch auf der Tagesordnung für die Mitgliederversammlung am 28. Oktober 1945. Die anwesenden Mitglieder protestierten, als August Eickholt mitteilte, „das die Gütersloher Genossen von sich aus schon den Vorstand des Kreisvereins bestimmt hätten.“ Die Gründung des Kreisvereines der SPD war für den 4. November 1945 in Rheda geplant. Aus der Mitgliederversammlung wurden Franz Herrmann, Willi Birkemeier, Heinrich Heineke und Adolf Neuhoff für den Vorstand des Kreisvereines benannt.

Am 15.10.1945 benannte der Bürgermeister dem Landrat ingesamt 32 Personen als geeignete Gemeindevertreter für die Stadt Rheda (Westf.) und die Landgemeinde Nordrheda. In Ergänzung zu diesem Schreiben teilte der Bürgermeister am 16.10.1945 dem Landrat nähere Angaben zu den Bewerbern mit. Unter den überwiegend zentrumsmäßig orientierten Konservativen befanden sich von den 25 für Rheda benannten Personen von der Rhedaer SPD: „Meinh. Bruchholder, Benzin-Raff.,“ als Vertreter der jüdischen Interessen, „Hch. Brune, Hauderer,“ als Vorsitzender des Arbeiter-Sportvereins, „Aug. Eickholt, Arbeiter,“ als Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei und „Hch. Heineke, Arbeiter“ als SPD-Angehöriger. Schon am 18.10.1945 gab es einen Ergänzungsvorschlag, der Hermann Wolkenstein, Max Schubert und Adolf Neuhoff benannte und dafür andere Namensvorschläge (Stieglitz, Strothmann und Nagel) strich.

Am 10. November 1945 teilte der Landrat den „Herren Bürgermeister der Städte und Gemeinden des Kreises“ mit, wie nach mündlicher Mitteilung der Militärregierung sich die Anzahl der Gemeindevertreter zusammensetzt. Auf die Stadt Rheda mit ihren 6 581 Einwohner entfielen 20 Vertreter, auf die Gemeinde Nordrheda-Ems mit 545 Einwohnern 12 Vertreter.“ Nach diesen Gesichtspunkten sind sofort die bereits gemachten Vorschläge zu überprüfen und mir die entsprechenden Listen in je 2 facher deutscher und englischer Fassung einzureichen,“ so der Landrat weiter. Er erinnerte daran, daß die einzelnen Personen genau geprüft werden müssen und die Stadtverordneten am 20.11.1946 die aus der Stadt für den Kreistag zu entsendenden Personen wählen. Für die Stadt Rheda und die Gemeinde Nordrheda waren 5 Kreistags-mitglieder zu benennen. Die „Stadt Wiedenbrück“ hatte 5 Mitglieder zu benennen.

Eine lebhafte Diskussion verursachte die Neubesetzung der Stelle eines Stadtsekretärs innerhalb des Ortsvereines. „Da der entlassene, ehemalige Nationalsozialist durch einen anderen Nazi ersetzt würde, war man sich in der Diskussion darüber einig, daß entweder beide verschwinden müssen oder, falls man keinen unparteilichen Verwaltungsfachmann zur Hand hat, auch der entlassene wieder eingesetzt wird.“

Über die Gründungsfeier des SPD-„Kreisvereins in Gütersloh“ berichtete August Eickholt in einer Mitgliederversammlung am 9. Dezember 1945. Nur 7 Mitglieder aus Rheda hatten an dieser Feier teilgenommen, obwohl 20 Karten zur Verfügung standen. Die anwesenden Mitglieder bemängelten, daß nicht frühzeitig genug der Termin bekannt gewesen sei. Desweiteren teilte der Vorsitzende mit, daß Karl Severing für eine öffentliche Versammlung am 12. Januar 1946 zugesagt habe.
In der Generalversammlung am 3. Februar 1946 erklärten sich auf Antrag von August Eickholt 7 Mitglieder bereit, an ihrem arbeitsfreien Sonnabend Brennholz zu schlagen. Nutznießer dieser Aktion waren nach Aus-sagen von Heinrich Heineke und August Eickholt nicht nur SPD-Mitglieder, sondern auch bedürftige Arbeiterfamilien der Stadt. Da jedoch alle eintreffenden Brennmaterialien nicht ausreichten, versuchten viele Rhedaer Mitbürger ihre Heizprobleme auf andere Art und Weise zu lösen. Von den oft nur kurz im Rhedaer Bahnhof haltenden Güter- und Kohlenzügen wurde die so knappe Steinkohle mit bloßen Händen heruntergeworfen und in Taschen und Körben nach Hause transportiert.
Über eine enge Zusammenarbeit „der beiden Arbeiterparteien“ diskutierten die Mitglieder der Rhedaer SPD in der Mitgliederversammlung vom 17. Februar 1946. Der Vorsitzende erklärte sich bereit, diese Frage „in Bielefeld“ vorzutragen. Desweiteren wurde bekanntgegeben, daß jeden Freitag von der Arbeiterwohlfahrt Nähstunden eingerichtet werden, „zu denen sich alle Frauen, die nicht im Besitz einer Nähmaschine (sind), melden können, um unter Anleitung nötige Reparaturen an Bekleidungsstücken vorzunehmen. Dem Protokoll über die Mitgliederversammlung der Rhedaer Sozialdemokraten vom 7. April ist zu entnehmen, daß August Eickholt dem Unterbezirksvorstand der SPD angehörte. Der SPD-Unterbezirksvorstand bildete sich aus den SPD-Ortsvereinen, die zu der Stadt und dem Landkreis Bielefeld (4 Genossen), dem Kreis Halle (2 Genossen) und dem Kreis Wiedenbrück (2 Genossen) gehörten. Auf der Unterbezirkstagung bestand Einigkeit, „daß eine Verschmelzung der beiden Arbeiterparteien kommen müsse, der Zeitpunkt hierfür aber noch verfrüht sei.“

Am 26. März 1946. wurde dem Oberkreisdirektor berichtet daß „am Vorabend der Besetzung durch alliierte Truppen“ Akten vernichtet wurden. Durch diese Vernichtungsaktion wurde meines Erachtens sichergestellt, daß keine belastenden Papiere die „weißen Westen“ der ehemaliger Häscher, welche auch in der Polizei und den Verwaltungen tätig waren, beschmutzen konnten.
Am 27.4.1946 forderte der Oberkreisdirektor des Kreises Wiedenbrück die Herren Stadt- und Amtsdirektoren auf, auf Anordnung der Militärregierung all diejenigen Gemeindevertreter, die der NSDAP angehörten, aus der Gemeindevertretung zu entfernen. Aus dem Protokoll über die Stadtverordnetensitzung vom 2.5.1946 sei hierzu zitiert: „Die Verfügung des Herrn Oberkreisdirektors wurde vorgelesen, wonach NSDAP-Angehörige als Gemeindevertreter ausscheiden müssen und auf Wunsch der Militär-Regierung durch Frauen ersetzt werden sollen. Der Antrag der CDU, den ausscheidenden Herrn Georg Nolte durch Herrn Gerhard Besselmann zu ersetzen, wurde behandelt. Herr Eickholt erhob für die SPD den Anspruch dahin, daß die Vorschläge für das freiwerdende Mandat ihm einzureichen seien, um dann an den Oberkreisdirektor weitergeleitet werden zu können. Katharina Kanne, Bahnhofstr. 22 wurde von der CDU vorgeschlagen. Außerdem sind Frau Kaden und Frl. Kreutzkamp namhaft gemacht worden.“

Eine öffentliche Versammlung der KPD fand am 25. Mai 1946 in Rheda statt; eine weitere am 7. Juni 1946, „die von Gütersloh einberufen war“ und „von ungefähr 100 Personen besucht wurde“.
Abermals über die Frage der Zusammenarbeit mit der KPD wurde am 25. Mai 1946 im Ortsverein der Rhedaer Sozialdemokraten gesprochen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, „ob nicht doch örtlich gesehen eine Zusammenarbeit mit der KPD zu befürworten sei“. Diese Formulierung deutet darauf hin, daß von der Parteizentrale die Ortsvereine schon unterrichtet waren, daß eine Zusammenlegung nicht erwünscht sei.

Nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ im Jahre 1945 bis zum November des gleichen Jahres gab es im zerstörten Deutschland auf keiner Ebene parlamentarische Gremien. Nur die ehemaligen Verwaltungen waren unter der Aufsicht der Militärregierungen tätig. Erst im November 1945 benannten die Militärregierungen auf Vorschlag der wieder erlaubten Parteien die ersten Parlamente. Eine freie Entscheidungsbefugnis hatten diese Parlamente jedoch nicht. Der Militärgouverneur setzte die Tagesordnung fest und überwachte den Verlauf der einzelnen Sitzungen. Dies führte oft zu Unmutsäußerungen innerhalb der Mitgliederversammlungen des SPD-Ortsvereins Rheda. Die Amtsperiode der eingesetzten Parlamentarier dauerte nur ein Jahr. Mit der Verordnung Nr. 32 verfügte die britische Militärregierung Gemeindewahlen für den 15. September und Kreistagswahlen für den 13. Oktober 1946.
Bei den Gemeindewahlen konnten die Rhedaer Sozialdemokraten 5 Sitze im Stadtparlament erringen, die CDU erhielt 13 Sitze. Zum Bürgermeister wurde J. Pohlmann gewählt; die SPD verzichtete darauf, den zweiten Bürgermeister zu stellen. In Wiedenbrück erreichte die CDU 20 Sitze, die SPD nur einen. Am 16. September 1946 fand die Vereidigung der Stadtverordneten statt. Von der SPD dabei waren Hermann Wolkenstein, Heinrich Brune, August Eickholt, Wilhelm Birkemeier und Emil Trixa. Außerdem leisteten den Amtseid: Ernst Pohlmann, Johannes Pohlmann, Anton Oehle, Bernhard Hecker, Wilhelm Lohmann, Heinrich Beckstedt, Rudolf Strothmann, Heinrich Drenkelfort, Dietrich, Strathoff, Karl Berger, Lorenz Venherm, Arthur Berner und Christoph Surmann.

In der Mitgliederversammlung am 26. September 1946 sprach sich Meinhard Bruchholder dafür aus, mit der KPD über eine gemeinsame Liste zu verhandeln. Dieser Vorschlag wurde jedoch von August Eickholt und Arnold Junggeburth zurückgewiesen, „da dieses nach Stimmenfang der SPD aussähe.“

Nach mündlichen Informationen älterer Genossen sprach sich die Mehrheit der Rhedaer Sozialdemokraten für eine engere Zusammenarbeit der beiden Arbeiterparteien aus. Da sich die Kommunisten in Rheda jedoch nicht neu organisierten, sah man in späteren Jahren nicht mehr die Notwendigkeit, weiter über diese Frage zu sprechen. Nach Aussage von Heinrich Heineke lag es dem Ortsverein mehr am Herzen, über Fragen und Probleme der Stadt Rheda und der Überwindung der NS-Zeit zu reden. Denn nach wie vor war es wichtiger, über Wohnraumprobleme, Arbeitsplatzbeschaffung, Zuteilung von Lebensmitteln, Verteilung der Brennmaterialien und die Eingliederung der Ostflüchtlinge zu diskutieren und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

Ab Mitte 1946 erschienen wieder Tageszeitungen. Einige Artikel zur Ergänzung: Die „Freie Presse“ berichtete am 8. Juni 1946 über den Hamsterverkehr und bezog sich hierbei auf einen Polizeibericht. Unter anderem hieß es in diesem Artikel:
„In den letzten 14 Tagen hat der Reiseverkehr aus dem Westen in Richtung Osten erheblich zugenommen. Es handelt sich hierbei überwiegend um Hamsterer, die bis in die Gegend von Hannover und Braunschweig fahren, da es dort noch reichlicher Kartoffeln geben soll. Tatsächlich ist bei mehreren Kontrollen auf dem Reichsbahngelände Rheda festgestellt worden, daß die Hamsterer ihre Säcke bis auf die Trittbretter liegen haben. Während sich bis vor einigen Wochen der Hamsterverkehr im hiesigen Gebiet abspielte, dürfte er sich jetzt weiter nach Osten verlagert haben, weil in der hiesigen Gegend schon alles abgegrast ist und Kartoffeln nicht mehr zu haben sind.“
Ein ganzes Volk war auf Reisen, Hunderte von Kilometern um einen Sack Kartoffeln, etwas Obst oder Korn oder um eine Arbeitsstelle zu erhalten. Reisen hieß in jenen Tagen – warten, warten und nochmals warten. Feste Fahrpläne gab es nicht. Kam endlich ein Zug, so war dieser überfüllt. Die Wagendächer, die Plattformen, die Gänge, die Klosettabteile, alles war eng besetzt.

Am 15. Juni 1946 veröffentlichte die „Freie Presse“ einen Kurzbericht über einen „Frohen Nachmittag“ den die Rhedaer Sozialdemokraten am zweiten Pfingsttag veranstaltet hatten. Es wird berichtet, daß die Versammlung überaus gut besucht war und insbesondere Jugendliche erschienen waren. Das auch die Wiedenbrücker Sozialdemokraten viele Aktivitäten entwickelten und auch die AWO unterstützten, möchte ich mit folgenden Auszügen aus einem Artikel der „Freien Presse“ vom 3. August 1946 belegen:
„Wiedenbrück. Aus der Arbeit der Arbeiterwohlfahrt. Gleichzeitig mit der Neugründung des hiesigen Ortsvereins der SPD nach dem Zusammenbruch wurde auch die Organisation der Arbeiterwohlfahrt wieder ins Leben gerufen. Zum Leiter der AWO wurde der Friseurmeister Arnold Bock gewählt. Friseurmeister Bock vertritt die AWO auch im Flüchtlingsausschuß. Manchen Hilfsbedürftigen in der Bevölkerung, Flüchtling, Heimatlosen und entlassenen Soldaten konnte in der Not Hilfe zuteil werden.“

Mit der Unterbringung von „450 Ausgewiesenen“ befaßte sich die Rhedaer Stadtverordnetenversammlung. Hierüber berichtete die „Freie Presse“ am 7. August 1946 unter anderem:

„Im Verlauf der Diskussion forderte Eickholt (SPD): Es müsse konsequent durchgegriffen, und wenn erforderlich, mit den schärfsten Maßnahmen gegen solche vorgegangen werden, die sich weigern, Ausgewiesene aufzunehmen. Sein Antrag wurde einstimmig angenommen. Ferner wurde vorgeschlagen, alle unbenutzten Läden und Fabrikationsräume auf ihre Brauchbarkeit als Wohnraum zu überprüfen, um sie gegebenenfalls zu Wohnzwecken herrichten zu lassen.“

„Es gilt die politische Unreife abzuschütteln“ forderte auf einer öffentlichen SPD-Kundgebung Carl Severing in Wiedenbrück. Hierüber berichtetete die Freie Presse am 14.09.1946 wie folgt:

„Auf einer Wahlkundgebung sprach im vollbesetzten Lichtspielhaus Staatsminister a. D. Carl Severing, Bielefeld. Durch eine Lautsprecheranlage wurde die Rede nach draußen übertragen. Severing erörterte die Aufgaben der jetzt neu zu wählenden Gemeindevertreter. Er sagte u. a., daß die Gemeindevertretungen die Besatzungsmächte immer wieder auf die Not der deutschen Bevölkerung hinweisen und sich für die Probleme des täglichen Lebens voll einsetzen müßten. Das Wohnungs-, Ernährungs-, Kohlen- und Ausgewiesenen-Problem sei durch Taten zu lösen, denn nur durch diese sei die Not der Bevölkerung zu lindern.“ Interessant ist, wie Severing die politische Aufgabe des Volkes definiert. Er führt laut Freie Presse weiter aus: “ Mit der Wahl Hitlers hat das Volk seine politische Unreife bewiesen und damit seinem Diktator das Spiel leicht gemacht. In der nun bevorstehenden Wahl soll das Volk zeigen, daß es die politische Unreife abgeschüttelt hat. Nach langen Jahren hat es morgen wieder Gelegenheit, nach demokratischen Grundsätzen zu wählen“. Auch zur Vereinigung mit der KPD bezog Severing Stellung, indem er ausführte: „Eine Vereinigung mit der KPDS könne nur dann zustande kommen, wenn die Einigkeit im Denken und Handeln vorhanden wäre. Solange dies nicht der Fall sei, könne er sich nicht für eine Einigung entschließen. Wenn seine Reichstagskollegen Pieck und Grotewohl in öffentlichen Versammlungen hier in der britischen Zone erklären, daß sie im Westen gegen im Osten aber für eine Gebietsabtrennung sind, so kann ich nur sagen: Ob im Osten oder Westen, die Solzialdemokratie ist gegen jede Gebietsabtrennung.“

Soweit ein kurzer Rückblick auf die Presseberichterstattung. Aus einem Schreiben der „Freien Jugendbewegung „Die Falken“ vom 1. Januar 1947 ging hervor, daß eine „Falkengruppe“ in Wiedenbrück bestand. „Die Falken“ baten mit dem vorgenannten Schreiben August Eickholt, sich für den Aufbau einer Falken-Gruppe in Rheda einzusetzen. In der Mitgliedervertretung am 15. Januar 1947 wurden zwei Genossen beauftragt, „sich näher mit dieser Angelegenheit zu befassen“. Die Gründung erfolgte jedoch erst einige Jahre später.

Immer wieder erschienen in den damaligen Zeitungen Berichte über Untergrundorganisationen ehemaliger Nationalsozialisten. Noch immer waren Kräfte tätig, die das „Werk“ von Adolf Hitler fortsetzen wollten. Umso verständlicher ist es, daß sich gerade die SPD gegen Unterwanderungen absicherte. Die SPD schützte aber Mitglieder, die durch den politischen Fragebogen der Militärbehörde als „einwandfrei gekennzeichnet“ waren, gegen unsachliche Angriffe.

In der Freien Presse vom 5. Februar 1947 erschien ein Artikel des Ortsvereins Rheda mit folgendem Wortlaut:
„Was waren denn die anderen… ?
Unfaßbare Gerüchte um eine Rhedaer Entnazifizierung – Von der SPD, Ortsverein Rheda, wird uns ge-schrieben:

Hier geht das Gerücht um: Karl Fastenrath ist entnazifiziert. Hoffen wir, daß es nur ein Gerücht ist. Es fällt uns schwer, zu glauben, daß ein Mann wie Fastenrath, Mitinhaber der Firma Rawe & Co., die sich in ihren eigenen Briefen Vorkämpfer des Nationalsozialismus nennt, entnazifiziert sein soll. Herr F. war 1. Bevollmächtigter der Reichsstelle für Kleidung und verwandte Gebiete beim LWA Münster, gleichzeitig Vertrauensmann der Reichsstelle für das LWA Hamburg, LWA Weser-Ems Bremen, LWA Hamburg, 2. Wirtschaftsberater des Kreises Wiedenbrück, 3. Verbindungsmann der Reichsstelle zu den Landwirtschaftsämtern, 4. Leiter des Kreis-Sonderstabes, dessen Büro sich in der Firma Rawe & Co. befand. In dieser Eigenschaft wurden ihm Disziplinarverfahren gegen Nazigrößen zur Stellungnahme und Entscheidung vorgelegt. Diese Stellung ermöglichte es auch der Firma Rawe & Co., für ihren Herrn Pg. zu der Zeit, als bereits Hunderttausende von Menschen ohne Obdach waren, weitab von der Gefahrenzone einen Prunkbau für 220 000 RM zu errichten, während sonst kaum eine zerstörte Fensterscheibe zu ersetzen war.
Als im Jahre 1935 der „Stürmer“ die Firma Rawe & Co., die als Musterbetrieb galt, wegen der Beschäftigung einiger Juden angriff, empörte sich die ganze Nazihautevolee. An Hand von beglaubigten Zeugnissen von Nazigrößen bewies die Firma, daß sie eine Nazifirma seit altersher sei. Nachstehend einige Sätze aus so einem Dokument: „In unserem alten Nordhorner Unternehmen haben wir noch niemals einen Nichtarier beschäftigt. Herr Dr. Bülow [Leiter des Raweschen Betriebes] ist gerade derjenige, der früher von der roten Kommune am schärfsten angegriffen wurde. Wie sehr Herr Dr. Bülow schon vor der nationalsozialistischen Revolution im Sinne dieser Bewegung in unserem Betrieb gearbeitet hat, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er persönlich im Jahre 1932, als unser Betrieb von einer auf zwei Schichten und dann auf drei Schichten ausgedehnt wurde, die roten Elemente aus dem Betrieb entfernte und die Arbeiter nationalsozialistischer Gesinnung bei der Anstellung vorzog.“ Also hat die Firma Rawe & Co. schon vor der Machtübemahme die damalige Arbeitslosenzeit benutzt, die hungernden Arbeiter in die Reihen der Hitlerarmee zu zwängen.
Wie weit aber die Firma, und besonders Herr Fastenrath, in die Kriegsabsichten der Nazibonzen eingeweiht waren, geht allein schon aus den Kriegslieferungsverträgen hervor, die bereits unter dem Aktenzeichen D. V. 479/38 Geheim am 19. 9. 1938 / 28. 10. 1938 abgeschlossen wurden. Ferner sei noch erwähnt, daß in dem von Herrn Fastenrath geleiteten Betrieb Rheda politische Gefangene unter menschenunwürdiger Behandlung in der Kriegsindustrie ausgenutzt sowie technische Zwangsarbeiter auf bestialische Weise mißhandelt worden sind und in Konzentrationsläger überwiesen wurden. Heute wollen diese Herren die Schandtaten auf
ihre ehemaligen Untergebenen abwälzen und sich selbst als Unschuldslamm hinstellen.
Wie weit heute schon wieder der Einfluß der Reaktion reicht, geht aus der Tatsache hervor, daß sie ihre Leute bereits wieder an der Futterkrippe sitzen hat. So ist z.B. Herr Dr. Beckmann, Mitinhaber der Firma Rawe & Co., heute Landrat des Kreises Bentheim und der Onkel des Herrn Fastenrath sitzt im Stadtparlament von Rheda. Diese Tatsachen geben dem anfangs zitierten Gerücht zwar einige Bedeutung, aber wir können es trotzdem nicht glauben, daß Herr Fastenrath nur „Mitläufer“ war. Wenn ja, war waren denn die anderen Parteigenossen in Rheda?“

Da einer der damaligen SPD-Stadtverordneten i n diesem Artikel durch einen Nebensatz unsachlich angegriffen wurde, entspann sich in der nächsten Mitgliederversammlung eine erregte Diskussion, die mit dem freiwilligen Austritt des Schriftführers des Ortsvereins, welcher den Artikel ohne Abstimmung mit dem Vorstand geschrieben hatte, endete. Bemerkt sei hier nur, daß in der Freien Presse von seiten der angegriffenen Firma keine Gegendarstellung erfolgte.

Das Jahr 1947 endete für den SPD-Ortsverein Rheda betrüblich. Ende November starb eines der aktivsten Mitglieder, der Stadtverordnete Hermann Wolkenstein. Für ihn rückte in die Stadtverordnetenversammlung der Genosse Willi Kelp nach.

Am 2.Pfingstag 1948 organisierten die Rhedaer Sozialdemokraten einen „frohen bunten Nachmittag“ und zwar in der Gaststätte Frölich in Wiedenbrück. Im September 1948 fand eine Versammlung der Rhedaer SPD statt, über welche die Polizeistation Rheda einen Bericht fertigte, der als Zeitdokument vollständig wiedergegeben wird: „Am 30.9.48.fand in dem Lokal von Neuhaus eine Versammlung der S.P.D. Orts-gruppe Rheda statt. Anwesend waren 70 Personen. Nachdem die Versammlung um 20.30 Uhr eröffnet worden war, ergriff die Referentin, Liesel Klipp-Kaulen, Bielefeld das Wort.
Die Referentin ging auf die Verhältnisse seit dem Tage X ein und schilderte die bedenkliche Lage der Lohn und Gehaltsempfänger. Sie führte insbesondere aus, daß es vor der Währungsreform nichts zu kaufen gab und daß 24 Stunden danach die Dekorateure voll beschäftigt waren, Waren, die mit Rm produziert und mit Rm erworben waren, in die Fenster zu bringen. Das Volk, vollkommen ausgehungert, habe wahllos gekauft. Sie kritisierte die Machenschaften der kapitalistischen Kreise, die dieses unterstützt hätten, und zwar auf parlamentarischer Grundlage. Rednerin wies darauf hin, daß diese Kritik der S.RD. durchaus berechtigt sei. Sie ging dann auf die Sozialversicherung ein und wies darauf hin, daß der nach Kriegsende verbliebene Rest des Vermögens durch die Währungsreform nunmehr auch noch verschwunden sei und daß die Renten nur noch aus den laufenden Beiträgen gezahlt werden könnten. Bei Stauungen irgendwelcher Art, müßten die Zahlungen daher eingestellt werden und die Rentner seien der Not und dem Elend preisgegeben. Die S.P.D. verlange daher eine 1o % Aufwertung der Vermögen der Sozialversicherungsgesellschaften. Sie prangerte weiter das Verhalten vieler großer Betriebe an, die angeblich nicht mehr die Werkspensionen zählen könnten, auf der andern Seite in den Badeorten jedoch schon wieder ihr gewohntes Luxusleben führten. Die Lohn- und Gehaltsempfänger seien betrogen seit 1945. Rednerin kritisierte weiter das Verhalten von Frankfurt. Auf der einen Seite freie Wirtschaft, auf der andern Lohnstopp. Sie wies darauf hin, daß es so unter keinen Umständen weiter gehen könne. Sie verlangte, daß den Preisbildungsstellen die Möglichkeit gegeben werde, in die Kalkulationen Einsicht zu nehmen.
Rednerin streifte dann auch den Lastenausgleich und verlangte, daß die Kriegsgewinnler und Schieber derart belastet werden müßten, daß sie die größten Kriegslasten überhaupt zu tragen hätten. Sie streifte dann die weltpolitische Lage und zog Vergleiche zwischen den Freiheiten in der Ostzone und den Westzonen. Sie führte insbesondere an, daß 10000 Funktionäre der S.P.D. in der Ostzone einfach verschwunden seinen und daß nicht die S.P.D. die Quielinge der Besatzungsmacht seien, sondern die S.E.D. in der Ostzone. Sie wieß in diesem Zusammenhang auch auf das Schreckensurteil in Berlin hin und verglich dieses mit den Urteilen unter Hitler. Auch dort seien Personen ohne Rechtsbeistand hinter verschlossenen Türen abgeurteilt worden.
Rednerin forderte daher am Schluß die Versammlung auf, sich genau zu überlegen, wem sie am Wahltage ihre Stimme geben wollen. Mit der S.P.D. könnten die Probleme gelöst werden, wie sie für die arbeitende Bevölkerung nötig seien.

Die SPD konnte bei der Kommunalwahl am 17.10.1948 die Wahlbezirke 1, 2 und 4 direkt gewinnen; die restlichen fielen an die CDU. Im Stadt-parlament stellte die CDU 6 Vertreter, 4 die SPD und die FDP war mit einem Ratsherren vertreten. In Nordrheda gewann die CDU alle Wahlkreise; Paul Zimmermann zog über die Reserveliste in das Gemeindeparlament ein. (14)

Bei der folgenden Kommunalwahl am 9. November 1952 konnte die SPD in Rheda nur noch einen Wahlkreis direkt gewinnen; die 24 Plätze im Rat verteilten sich wie folgt: 10 CDU, 5 SPD, 6 FDP und 3 BHE. (15)

Für die Wiedenbrücker Sozialdemokraten zogen der Bildhauer Florian Krenzer, der Schlossermeister Franz Meyer, der Invalide Johann Frisch und der Friseurmeister Arnold Bock in die Stadtvertretung ein. Am 23.01.1950 wurde für den ausgeschiedenen Florian Krenzer der Buchdrucker Max Padur als Stadtvertreter vereidigt.

Auch in dieser Zeit der innerparteilichen Differenzen führten die Rhedaer Sozialdemokraten öffentliche Veranstaltungen durch und bemühte sich, eine Jungsozialistengruppe zu bilden und interessierte Frauen in die Frauenarbeit zu integrieren. Eine Wiedergründung des Arbeitergesangvereins scheiterte, da sich viele der ehemaligen Mitglieder anderen Vereinen angeschlossen hatten.